Die Missunder - Gilde
1872 - 1997
125 Jahre
Eine Festschrift
von Nicolaus Nissen
Vorwort
Bei
der letzten Gildeversammlung wurde ich beauftragt, anlässlich des 125. jährigen
Bestehens unserer Gilde eine Festschrift zu verfassen. Eine dankbare, jedoch
auch keine ganz leichte Aufgabe. Die Protokolle der Hauptversammlungen sind zwar
erhalten, in ihrer Aussagekraft nicht sehr ergiebig. Festgehalten wurden im
wesentlichen Mitgliederzahl, Einnahmen und Ausgaben sowie Könige und
Preisgewinner.
Tradition ist im wesentlichen die Weitergabe von Erfahrungen in bestimmten
Lebenslagen und somit ein wichtiges Element der Überlebensstrategie. Da sich die
äußeren Umstände aber ständig wandeln, können auch Traditionen nie ganz starr
sein. Dieses ist auch in unserer Gilde nicht anders. Die Wandlungen an sich sind
weitgehend nachvollziehbar. Über Gründe und Ursachen können wir nur Mutmaßungen
anstellen. Dabei sind wir weitgehend auf das Erzählen unserer Eltern und
Großeltern angewiesen. Mein Dank gilt daher einmal Allen, die mir mit
Informationen weitergeholfen haben. Mein ganz besonderer Dank gilt aber unserem
Gildebruder Hartmut Höltig , der mit den Mitteln der modernen Computertechnik
entscheidend dazu beigetragen hat diese Schrift zu erstellen!
Nico Nissen im Frühjahr 1997
125 Jahre Missunder Gilde ein Grund zum Feiern?
Für
eine Gilde als solche ganz sicherlich nicht, sind doch die meisten Gilden in
unserem Lande wesentlich älter (750 Jahre und mehr zum Beispiel in
Dithmarschen). Bezogen auf unser Dorf sieht es jedoch etwas anders aus: Der
korrekte Name im Gründungsprotokoll lautet „Missunder Hülfsverein von 1872“ In
den Statuten (heute Satzungen) lautet der § 1: Der Missunder Hülfsverein hat
den Zweck bei Todesfälle sowie bei Knochenbrüchen seinen Mitgliedern Geldbeträge
zur Unerstützung zu gewähren.
Warum die Gründung gerade jetzt? Man lebte in einer sehr turbulenten
Zeit. Vor genau acht Jahren war das Dorf bei der Schlacht am 2 ten Februar fast
völlig zerstört worden. Die Einwohner hatten wohl alle die Evakuierung nach
Bohnert und Brodersby mitmachen müssen und hatten den größten Teil ihrer Habe
verloren! Der deutsch – französische Krieg war gerade zu Ende gegangen und der
entscheidende Wandel: „Schleswig - Holstein“ war preußisch geworden! Damit kam
es gerade für unser Dorf zu einer entscheidenden Veränderung. Ornum – Missunde
sowie Eschelsmark – Ornum wurden Gutsbezirke. Damit hatte der Gutsherr zwar die
Funktion eines Gemeindevorstehers, war jedoch nicht mehr wie bis dahin Richter
über seine Untertanen! Wollte er dann nicht vielleicht auch seine
Fürsorgepflicht (heute Sozialhilfe der Gemeinde) los werden? Liegt nicht der
Verdacht nahe, das der Gutsherr selbst den Anstoß zur Gründung eines derartigen
Vereins gegeben hat? Genehmigen musste er diese Satzungen ja sowieso. Dieses
geht auch klar aus dem Schlusssatz im Gründungsprotokoll deutlich hervor:
„Selbige Statuten sind mir als Ornumer Gutsobrigkeit zugänglich geworden
und gegen dieselben nichts zu erinnern gefunden“ gez. Jansen Gutsinspektor.
Erhärtet wird auch dieser Verdacht durch die Tatsache, das alle Missunder
Pachtbauern in die „Bohnerter Pferdegilde“ (Ersatz für verendete Pferde), sowie
in die „Adelige Brandgilde“ von 1691 eintraten. Mit dem sehr raschen Fortschritt
des allgemeinen Versicherungswesens (Krankenversicherungspflicht –
Rentenversicherung) trat der ursprüngliche Sinn der Gilde mehr und mehr in den
Hintergrund. Von der Gründung an war die Hauptversammlung mit dem Gildefest
verbunden. Anhang zum Gründungsprotokoll: „So
wie es einem jeden Menschen erlaubt ist sich in seinem Leben in vernünftiger und
den Gesetzen nicht zuwiderlaufender Weise zu freuen und zu belustigen, so solle
die vom Verein bestimmte Generalversammlung ein Scheibenschießen und Ball in
nachfolgender Weise beigefügt werden!“
Noch immer war die Sechs-Tagewoche selbstverständlich. Damit wird auch der § 12
verständlich: „Jährlich einmal und zwar am 5 ten Juni soll das Gildefest
stattfinden. Fällt dieses Datum aber auf einen Sonnabend oder Sonntag. so
wird die selbe auf den darauf folgenden Montag abgehalten“. Die Gildefeier
war also ein zusätzlicher freier Arbeitstag! Somit
war die Gilde ein Tag, auf den sich die Menschen das ganze Jahr freuten!
De veer schönsten Dage int Johr; Wiehnachten, Ostern, Pingsten un Gill!
Während der Ablauf des Schießens, sowie der Hin und Rückmarsch in den Paragraphen im Anhang bis ins Kleinste beschrieben ist, gibt es für die feierliche Umrahmung, wie wir es heute kennen, keinerlei Hinweis! Es gibt keine Angaben über die Herkunft des Gildeschildes, der Fahne, der Königsschärpe so wie des Einsatzes von Musik .Es gibt keinerlei Hinweise über Fahnenträger und Fahnenschwenker, von Woher ist die Art des Fahnenschwenkens übernommen worden? Soweit der Verfasser in Erfahrung bringen konnte gibt es in der näheren Umgebung nichts in dergleichen Art. Aus sich selbst entstanden? Tradition entsteht irgendwo . Aufnahme aus Erfahrungen Anderer? Wird wohl so gewesen sein!
Die größte Veränderung im traditionellen Ablauf des Gildefestes gab es am 9 ten Mai 1936. Auf der Hauptversammlung wurde beschlossen, das Gildefest vor oder nach dem 5 ten Juni an einem Samstag zu feiern. Nun, die Gründe sind klar: Der Samstag war inzwischen arbeitsfrei geworden. Wer in der Woche feiern wollte musste sich einen Tag frei nehmen und das vielen doch zu teuer!
In diesem Zeitraum dürfte auch der Beschluss gefasst worden sein, Gildefest und Hauptversammlung zu trennen. Die Hauptversammlung wurde auf den Gründonnerstag verlegt. In keinem Protokoll ist ein derartiger Beschluss festgehalten. Auch die bekannten ganz alten Gildemitgliede konnten nur mündlich von dieser Regelung berichten. Es ist eben Tradition geworden und wird auch heute noch so gehandhabt! In der Generalversammlung vom 20ten Mai 1941 wurde beschlossen, wegen des Krieges keine Gilde zu feiern!
Erst in der Hauptversammlung am 18 ten Juni 1947 wurde entschieden, wieder ein Gildefest zu feiern! Dieses fand dann am 25 ten Juni statt. Da noch alle Waffen für Deutsche verboten waren, schoss man mit der Armbrust nach dem Vogel auf der Stange! Zum ersten Mal wird auch eine Königin erwähnt und zwar wurde diese beim Fischstechen ermittelt . König wurde Hans Harmsen aus Eckernförde und Königin Lene Reimer aus Ornum – Mühle . Die Preise wurden durch Spenden aufgebracht . Das Ermitteln einer Königin ist sehr schnell wieder aufgegeben worden. Die Ursache ist wohl eine recht kleinliche Differenz zwischen König und Königin gewesen. Man kann sich sehr gut vorstellen, das dieses in der doch reinen Männerdomäne „Gilde“ als Grund genommen wurde wieder zum Alten zurückzukehren!
Wie auch immer, ganz eingeschlafen ist der
Gedanke, die Frauen zu beteiligen, nie! Vor allem die Frauen selbst forderten
mehr Einfluss auf das Gildegeschehen! Am 30ten Mai1992 war es dann soweit, es
wurde eine Frauengilde gegründet. Das Fischstechen zur Ermittlung von Königin
und Preisträgern wurde aus der Tradition übernommen. Im übrigen ist die
Frauengilde absolut selbstständig. Die Preise werden durch Beiträge selbst
bezahlt. Darüber hinaus haben die Frauen die Bewirtung der Gildebrüder und Gäste
während des Schießens übernommen. Alle Überschüsse von Speisen und Getränken
werden der Gilde zur Verfügung gestellt. Im ganzen gesehen war diese
Entscheidung eine enorme Bereicherung
des Dorfslebens!
Recht interessant dürfte auch die Mitgliederbewegung insgesamt sein. Über ein Jahrhundert bleibt der Bestand recht konstant zwischen 50 und 60 Personen. Einen auffallend hohen Bestand verzeichnen wir im Jahre 1925 mit 72 Mitgliedern (Warum? Schwer nachzuvollziehen). Bei Durchsicht der Protokolle stellt man fest, dass doch sehr viele Mitglieder auswärts wohnten. Der größte Teil von denen wird wohl einmal in Ornum – Missunde gelebt haben und ist wohl mit dem Herzen dort geblieben! Und Heute? Der Anteil auswärtiger Mitglieder ist immer noch relativ hoch. Doch wohl ein Zeichen dafür, das diese Menschen sich hier wohl und zu Hause fühlen!
Und die Zukunft? Der ursprüngliche Sinn einer materiellen Hilfestellung in bestimmten Notfällen wird ohne Zweifel weiter in den Hintergrund treten. Niemand wird in die Gilde eintreten, nur um bei einem Knochenbruch oder Sterbefall eine Unerstützung zu bekommen. Die allgemeinen Lebensumstände haben sich ganz besonders in den Dörfern in den letzten Jahrzehnten gewaltig verändert. So ist die alte Dorfgemeinschaft (Notgemeinschaft?) einer zunehmenden Individualisierung gewichen. Hier ist wieder eine neue Aufgabe der Gilden entstanden! Die Integrationskraft eines Traditionsvereins ist von Haus aus sehr groß. Und wenn wir uns umsehen, dass praktisch die gesamte Dorfjugend und ihre Freunde Mitglieder der Gilde sind, so brauchen wir uns um den Fortbestand keine großen Gedanken zu machen!
Een lütt Begeben na de Missunder Gill Versammlung !
Meta un Jacob harn in Missund een lütt Buursteed. See leeven door egentlich recht glücklich un tofreeden! Man uns Jacob müch ganz geern mol een son lütten ut de Buddel nehm .Man bloß Meta pass door bannig för op un se har weet Gott Hoor op de Teen. Kort und good , Jacob stünn bie eer ünnern Pantüffel !
Na de ole Tradition is in Missund ja an Gröndonnestag de Hauptversammlung vun de Missunder Gill in de Krog vun Arnold Seemann . Door müß Jacob denn jo ok hen . Datt kunn Meta em jo ne good verbeden . Jacob smeet sik denn jo ok in sein Schapptüch. Meta mahnt em an : „Dat du mi ne so veel süpps , un kaam ne ganz so laat wedder to Hus!“ „Och mien Meta ick weet gornee wat Du ümmer mit mi to kriegen hest“, anter Jacob. „Ick kenn di doch du Sleev se Meta. Is jo all good ,ick gojo al “. Un Jacob mokt sick op den Weg!
As he denn no den Krog rin keem, weern de meesten von siien Mackers jo all door , un se fungen denn jo forts an em optotrecken: „Na Jacob, hett Meta di denn mol von de Lien loten? Hest ok een poor Groschen mitkreegen?“ Un Jacob leet sik ne lumpen un geev een Runde ut. Un denn güng dat jo erst richtig los! Arnold schenk in, noch een Köm, un hier noch een Grog! Bi jeden Köm wör Jacob krötige un har toletzt dat grötste Muul op. In Osten ward all hell un de meisten Gildebröder weern all no Hus gahn. Mit een mal weer Jacob mit den Kröger alleen. Na, denn den letzten Köm un los!
Ünnerwegs kreeg Jacob totz siien Duuhnen Kopp doch son beeten Bammel wenn he an sin Fruu dacht. He snackt denn ober sülber düchtig Moot to: „Ha, weer jo gelacht, ick will ehr wull wat vertellen, lot de Olsch man kamen!“
Uns Meta har jo ok all lang ne mehr slapen, har all de anner Naverslüüd na Hus kaamen hört un eehr Jacob weer ümmer noch ne door. Se har sick so richtig in Wut dacht: Töv, ol Fründ du schast wat beleven! As Jacob denn no den Grotdeel rin kümmt, steiht Meta all dor mit een Feudel, un se langt em dor mit een över den Kopp ! Dat weer Jacob denn doch een beten veel , he langt no een Bessen un wull op Meta dal. Meta verfehr sik bannig, dat Jacob sik mol wehren dee, dat weer se nich gewohnt! Se kreg dat mit de Angst to don un in ehr Not kladder se de Ledder hoch na den Böden un trekt de Ledder gau achteran. Nu weer se jo eerst mol in Sicherheit: „Du ol Supbütt, keen eenmal kann man di aleen loslaten, to nix bis to bruken“, bölkt Meta van baben. „Du blöde Olsch, krigst wat langt Fell“, schre Jacob. „Kumm doch rop, wenn du wat wullst“, anter Meta! De een dro van boben de anner van ünner! Toletzt blafft Jacob in sein Wut na baben : „So, nu ick hen un klei die den ganzen Garde uteenanner, denn hest du moorn wat to doon!“
So as de Navers dat vertellt hebt , hebt se sik ganz gau wedder verdrogen , un hebt laater in goode Gesundheit eern golden Hochtied fiert !
Übersetzung ins Hochdeutsche!:
Eine kleine Begebenheit am Rande der Missunder
Gildeversammlung!
Meta und Jacob hatten in Missunde eine Kleine Bauernstelle. Sie lebten dort auch eigentlich recht glücklich und zufrieden, nur eines konnte diesen Frieden gelegentlich etwas stören: Jacob nahm sich hin und wieder mal einen etwas zu großen Schluck aus der Buddel . Nur, so ganz einfach war es für unseren Jacob nicht, denn Meta passte höllisch auf, und sie hatte wohl auch „die Hosen an“ wie man auf dem Lande so sagte!
Nach alter Tradition ist ja in Missunde am Gründonnerstag die Hauptversammlung der Missunder Gilde in der Gastwirtschaft von Arnold Seemann. Da musste Jacob natürlich auch hin, das konnte Meta ihn ja nicht gut verbieten. Jacob warf sich dann ja auch in sein „Schrankzeug“ und wollte sich auf den Weg machen. Meta nahm ihn noch einmal gründlich ins Gebet: „Das du mir nicht wieder so furchtbar viel trinkst und komm nicht unbedingt als letzter nach Hause!“ „Ist ja schon gut“, meint Jacob. „Ich weiß gar nicht was du immer mit mir zu kriegen hast!“ „Ach geh bloß los, ich kenne Dich doch viel zu gut“, antwortete Meta, und Jacob macht sich auf den Weg !
Als Jacob dann in den Krug kam , waren die meisten seiner Kollegen schon da und sie fingen dann auch gleich an ihn aufzuziehen: „Na Jacob, hat Meta Dich heute mal von der Leine gelassen? Hast auch ein paar Groschen mit bekommen?“ Und Jacob ließ sich dann auch nicht lumpen und gab eine Runde aus . Und einmal im Gange war dann kein halten mehr: „Arnold schenk ein, hier noch einen Korn und dort noch einen Grog“. Bei jeder Runde wurde Jacob mutiger und hatte am Ende den Mund am weitesten auf. Im Osten wurde es schon hell und die meisten Gildebrüder waren schon nach Hause gegangen, und zuletzt saß Jacob mit dem Wirt alleine da. „Na, dann noch den letzten Korn und los nach Hause!“
Auf dem Heimweg wurde ihm dann trotz seines duhnen Kopfes etwas mulmig wenn er an seine Frau dachte. Er machte sich dann aber selbst Mut: „Ha , wäre ja gelacht, lass die Alte man Kommen, ich werde ihr schon zeigen wo es lang geht!“
Meta hatte natürlich schon lange nicht mehr geschlafen. Sie hatte auch die Nachbarn nach Hause kommen hören, und auch sie hatte sich in eine entsprechende Wut gedacht: Warte alter Freund dir werde ich es schon zeigen, und als Jacob dann zur Tür herein kommt empfängt sie ihn mit einem Waschlappen in der Hand und zieht ihm einen damit über das Gesicht! Das war Jacob dann doch ein bisschen stark, er langt nach einem Besen und will auf Meta los. Meta erschrickt ganz fürchterlich, denn dass Jacob sich mal zur Wehr setzt war sie nicht gewohnt. In ihrer Not klettert sie schnell auf den Boden und zieht die Leiter hinter sich her. Dort ist sie ja erst mal in Sicherheit! Von oben: „Du alter Saufkopf, nicht ein einziges Mal kann man dich alleine loslassen, zu rein gar nix bist du zu gebrauchen!“ Von unten: „Du blödes Weib, komm doch runter, dann kriegst du ein Fellvoll !“ Die Eine Schreit von oben, der Andere schreit von unten und so geht es dann noch eine ganze Zeitlang hin und her. Zuletzt bafft Jacob in seiner wahnsinnigen Wut nach oben: „So, nun geh ich in deinen Garten und wühle dir alles auseinander dann has du morgen den ganzen Tag was zu tun um alles wieder in Ordnung zu bringen!“
So als es die Nachbarn erzählt haben, haben sich die Beiden doch ganz schnell wieder vertragen und haben später in guter Gesundheit ihre Goldene Hochzeit gefeiert!
Auszug aus der Missunder Chronik (pdf Datei 21 MB) von Nico Nissen