Das Gefecht von Missunde am 02.Februar 1864

( aus: Th. Fontane, Der Schleswig-Holsteinsche Krieg im Jahre 1864 )


Der Zug des preußischen Corps, wie wir wissen, ging auf Missunde. Hier sollte, um die Worte des Angriffsplanes zu wiederholen: „die feindliche Stellung geöffnet werden, während das östreichische Corps die Hauptstärke des Feindes am Dannewerk festzuhalten suchte“. Derselbe Tag (l. Februar), an dem das preußische Corps die Eider passierte, hatte, wie wir im vorigen Kapitel gesehn, auch zur Einnahme Eckernförde’s geführt. Für den nächsten Tag lautete die Disposition, zwischen dem Windebyer Noer und der „großen Breite“ Stellung zu nehmen und den Feind aus Kochendorf und Holm zu vertreiben.

Dieser Disposition gemäß rückte die Avantgarde um 8 Uhr vor. Sehr bald traf Mel­dung ein, daß der Feind Kochendorf freiwillig geräumt und seinen Rückzug auf Missunde angetreten habe. Schon um 8¾ Uhr konnte der Führer der Avantgarde dem commandirenden General Prinzen Friedrich Karl melden, daß die Tages-Aufgabe erfüllt und die Linie Kochen­dorf-Holm im Besitz der Preußen sei. Sofort, da es noch früh am Tage war, wurde ein Vorstoß auf Missunde beschlossen. Es mußte sich zeigen, ob der Feind gewillt sei, wenigstens hinter seinen Schanzen Stand zu halten. Die nöthigen Befehle ergingen. Drei Brigaden (die beiden westphälischen und die Brigade Roeder) blieben in Reserve; die Avant­garde und die Brigade Canstein rückten vor; schon um 10 Uhr war die Spitze der Avantgarde, Major v. Krohn vom Füsilier-Bataillon 24. Regiments, im Angesicht von Missunde.

Eh wir dem Gefecht folgen, daß sich bald entspann, geben wir eine kurze Beschreibung der feindlichen Stellung. Zunächst von Missunde selbst.

Dorf Missunde ist ein altes Fischerdorf an der Südseite der Schlei, malerisch gelegen aber ärmlich; zwanzig Häuser bilden eine einzige Gasse, die sich gegen die Schlei hin in einzelne Gehöfte auflöst; eine Kirche fehlt; am Nordufer liegt das Fährhaus.

Ein Fischerdorf und doch viel genannt in der Geschichte der Herzogthümer, von alten Zeiten her. Hier kam das Drama zwischen den „feindlichen Brüdern“, zwischen König Erich und Herzog Abel (oft erzählt in der Geschichte des Nordlands) zu einem blutigen Ende. Es war in der Nacht des 9. August 1250, als ein Fischerboot, drin der gefangene König Erich saß, die Schlei hinab gen Missunde fuhr. Das Boot kam von Schloß Gottorp. Abel, Herzog zu Schleswig, hatte doppelten Verrath auf sich geladen; der König war sein Bruder und sein Gast. Er hatte ihn gefangen nehmen lassen, als er beim Schachspiel saß. Nun glitt das Boot die Schlei hinunter.

Neben dem Könige saßen Tuko Boost, der Kämmerer Herzog Abels und Lauge Gudmunsen, der wegen alten Unrechts aus Dänemark hatte fliehen müssen und seitdem des Königs geschworener Feind war. Keiner sprach; König Erich starrte vor sich hin, er mochte wissen was seiner harrte. Als sie an die „große Breite“ kamen, wo jetzt Louisenlund gelegen ist, bat er, man möge ihm einen Priester zuführen, damit er seine Sünden beichten könne. Aber Lauge Gudmunsen ergriff ihn bei den Haaren und zwang ihn, den Hals über den Bord des Kahns zu legen, worauf Tuko Boost ihm mit einem Beile den Kopf von den Schultern trennte. Den Leichnam beschwerte man darauf mit Steinen und Ketten und versenkte ihn bei Missunde in die Schlei (siehe auch die  "Sagen der Königsburg").

Sechshundert Jahre vergingen seitdem und viel Blut ist seit jenem 9. August bei Missunde geflossen, aber alles andere Blut ist vergessen neben dem Bruderblut jenes Tages. An Herzog Abels finstere Gestalt knüpfen sich Sagen und Märchen, so finster wie er selbst. Sie erzählen von einem Pfahl, der in sein Grab geschlagen wurde, um den Todten drin zu bannen; bis dahin ging er um. Er ist der „wilde Jäger“ dieser Gegenden; noch andere sagen, er sei in die Möwen verzaubert, die auf der Möweninsel zwischen Schleswig und Haddebye ihre tausend Nester haben. Bei Missunde aber ist das Terrain König Erich’s. Dort stand bis vor wenig Jahren die Fischerhütte, drin die Schleifischer, als sie den König gefunden, seine Leiche zuerst niederlegten, und mancher, der um die Zeit des Sonnenunterganges über die große Breite hin­fährt, glaubt bis diesen Tag den König Erich in rothem Mantel treiben zu sehn, die linke Hand gen Himmel erhoben.

Viel Blut floß bei Missunde, auch noch in neuerer Zeit; 1848 hatten Aldosser und v. d. Tann ein Gefecht hier, 1850 griff Willisen hier die feindliche Stellung an, um Revanche zu nehmen für Idstedt. Der 2. Februar 1864 trat nun in die Fußtapfen vorausgegangener, blutiger Tage. Eh wir aber dem Angriff auf die Missunde-Stellung folgen, fragen wir jetzt nach dieser Stellung selbst.

   

Romantische Darstellung der Missunder Schanzen (und Hünengrab)  um 1800 und Reste der wirklichen Schanzen im Missunder Wald (auf der anderen Schleiseite zusehen: Burg).

Die Missunde-Stellung ist, wie schon angedeutet, ein Theil jener großen Vertheidi­gungslinie, die sich von der Ostsee zur Nordsee quer durch den Süden Schleswigs zieht. Das Centrum dieser Vertheidigungslinie, wie wir gesehen haben, ist das eigentliche Dannewerk, den linken Flügel auf fünf Meilen hin bildet die breite, buchtenreiche Schlei, den rechten Flügel, auf ebenfalls fünf Meilen hin, bildet die sumpfige Eider. Mit andern Worten, das Centrum ist durch Kunst, die beiden Flügel sind durch die Natur vertheidigt. Aber so viel auch die Natur für die Flügelstellungen des Dannewerks gethan hat, so hat sie doch nicht alles gethan, die Schlei ist nicht an allen Stellen buchtenreich und die Eider nicht an allen Stellen sumpfig; d. h. also: so vorzüglich rechter und linker Flügel gewahrt sind, so haben sie doch ihre schwachen Punkte. Diese schwachen Punkte liegen auf dem rechten Flügel da, wo sich passirbare Wege durch das Sumpfland ziehn und liegen für den linken Flügel da, wo die Schlei so schmal ist, daß es verhältnißmäßig leicht wird, sie auf Böten oder mittelst einer Schiffbrücke zu passiren.


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Missunder Prahm um 1864 mit Schiffsbrücke (Missunder Schanzen)

Solcher schmalen Stellen (wir haben es in Nachstehendem nur mit dem linken Flügel zu tun) hat die Schlei zwei oder drei: Missunde, Arnis, Cappeln. Diese drei schmalen Stel­len des Meerbusens sind zugleich die drei schwachen Stellen der Vertheidigung, so lange die Kunst der Natur nicht zu Hülfe kommt. Daß die Kunst der Natur diese Hülfe leistete, ver­steht sich von selbst; so entstanden an den drei schwachen Stellen des linken Flügels ausge­dehnte Vertheidigungswerke, Schanzen, Wälle, Brustwehren, die bei Arnis und Cappeln in ihrer Gesammt - Anlage noch Spuren der Hast und Uebereilung trugen, bei Missunde aber sich zu einem Vertheidigungssystem abrundeten, das in Plan und Ausführung, ebenso wie das der eigentlichen Dannewerkstellung, die Bewunderung der Kenner hervorrief. Die schwache Stelle bei Missunde war dadurch zu einer starken Position geworden; schon 1850 hatte sie sich als solche bewährt, seitdem hatten ihr die erweiterten Werke eine gesteigerte Wider­standskraft gegeben.

Die Anlage bestand im Wesentlichen aus drei auf einander folgenden Schanzenreihen, von denen zwei südlich der Schlei, die dritte Reihe nördlich derselben gelegen war. Die Anlage war so, daß der Angreifer unter allen Umständen zwischen das Kreuzfeuer der verschiedensten Schanzen gerathen mußte. Waren die zwei großen Frontalschanzen der ersten Reihe genom­men, so kamen diese nunmehr eroberten, nach hintenzu geöffneten Schanzen unter das Feuer der zweiten und dritten Reihe, und waren die vier Schanzen der zweiten Reihe genom­men, so waren die sechs Schanzen des Nordufers immer noch stark genug, um den Uebergang über die Schlei zu hindern. Es gab, eine tapfere Vertheidigung vorausgesetzt, nur zwei Wege, dieser Stellung Herr zu werden: ein energischer Sturm ohne Rücksicht auf Menschenleben oder eine superiore Artillerie. Ein Sturm lag völlig außer Frage; eine superiore Artillerie war vorläufig nicht vorhanden. Daß der Angriff dennoch beschlossen wurde, geschah in folgender Erwägung: zeigt sich die Vertheidigung schwach, so nehmen wir die Position trotz ihrer formidablen Stärke; zeigt sie sich stark, so fesseln wir den Feind bei Missunde und gewinnen freie Hand, um bei Arnis und Cappeln überzugehn.

Wir kehren nun zu den preußischen Kolonnen zurück, die wir auf dem Marsche gegen Missunde verließen.

Die Avantgarde, fünf Bataillone stark (drei Füsilier-Bataillone vom 24., 15. und 13. Regiment, das 1. Bataillon vom 60. Regiment und das westphälische Jäger-Bataillon) stand um 11 Uhr, innerhalb Schußweite, in Front der Schanzen. Sie nahmen eine gedeckte Stellung, et­was zurück gelegen von dem Gabelpunkt, wo von rechts und links her zwei Nebenwege (die Straßen von Weseby und von der Ornumer Mühle) in den von Cosel nach Missunde führenden Hauptweg einbiegen. Tausend Schritt vor ihnen lagen die zwei ersten Schanzen, der Schlüssel zur Stellung; jeder Angriff mußte zunächst sich gegen diese richten.

Um 12 Uhr traf General Canstein mit fünf Bataillonen (drei vom 35., zwei vom 60. Regiment) auf dem rechten Flügel ein und ging bei der Ornumer Mühle, nachdem die Brücke wiederhergestellt war, über die Cosel-Au. Er nahm gedeckte Stellung und stand nunmehr, etwa in gleicher Entfernung wie die Avantgarde, den zwei großen Frontal-Schanzen gegenüber. Nur stand er in der Flanke dieser Schanzen, während die Avantgarde in Front stand.

Zwischen der Flankenstellung der Brigade Canstein und der Frontalstellung der Avantgarde läuft ein Höhenzug; auf diesem Höhenzuge fuhren 64 preußische Geschütze auf. Der rechte Flügel der Artillerie lehnte sich an die Brigade Canstein, der linke Flügel an die Avantgarde. Die gesammte Aufstellung beschrieb einen Halbkreis auf tausend Schritt Entfer­nung um die großen Schanzen herum. Mitten durch die Aufstellung lief der Cosel-Missunder Weg hindurch. Um 1 Uhr eröffneten die preußischen Geschütze ihr Feuer. Schon um 12½ Uhr hatten die Dänen einen Vorstoß gewagt, waren aber zurückgeworfen worden.

Der ganze Kampf dieses Tages wies drei Momente auf: 1. Ein Infanterie-Gefecht vor Eröffnung der Kanonade. 2. Die Kanonade selbst. 3. Einen Versuch gegen die Schanzen während der Kanonade. Bei jedem der drei Momente verweilen wir.

Das Infanterie-Gefecht vor der Eröffnung der Kanonade.

General Gerlach, der mit etwa 2500 Mann, — Bataillone vom 3. und 18. dänischen Regiment — die Missunde-Stellung besetzt hielt, wurde unruhig als er den Angriff der Preu­ßen, deren erste Spitzen schon um 10 Uhr früh in Front der Schanzen erschienen waren, sich von Stunde zu Stunde verzögern sah. Er schickte deshalb drei Recognoscirungs-Compagnieen auf den drei mehrgenannten Straßen vor. Aber sie kamen nicht weit. Tausend Schritt vor den Schanzen stießen sie auf die Füsilier-Bataillone vom 15. und 24. Regiment. Die 10. Compagnie vom 24. stürmte, unter Führung ihres Bataillons-Commandeurs, Major v. Krohn, mit dem Ba­jonnett vorwärts. Der Feind suchte vergebens hinter einem halbabgetragenen Knick Halt zu gewinnen, er wurde in die Schanze zurückgeworfen. Ein Zug der 11. Compagnie 24. Regi­ments unterstützte diesen Angriff, verlor aber hierbei seinen Führer, den Lieutenant Hagemann, „Er fiel der erste preußische Officier, dessen Herzblut in diesem Feldzug die Erde Schleswigs färbte“. Das Füsilier-Bataillon 15. Regiments hatte einen erheblicheren Verlust an Mannschaf­ten; sein Commandeur, der Oberstlieutenant v. François, wurde schwer verwundet. Dies Infan­terie-Gefecht war der Vorläufer des eigentlichen Kampfes.

Die Kanonade.

Um 1 Uhr eröffneten die preußischen Geschütze ihr Feuer, 24 gezogene 6Pfünder, 24 Haubitzen, 16 Geschütze der Reserve-Artillerie. Die Dänen antworteten aus 29 Geschützen, meist 12- und 24 Pfünder. Es war ein ungleicher Kampf, aller Vortheil, trotz des numerischen Uebergewichts der Angreifer, auf Seiten der Dänen. Ihre Geschütze, ohnehin von überlegenem Kaliber, standen in gedeckten Positionen, zudem kannten sie die Distancen. Von 100 zu 100 Schritt Abstand hatten sie die Schanzen mit Kreisen umzogen, so daß sie, mit Hülfe aufgestell­ter Terrain-Merkmale, jeden Augenblick wissen konnten, auf welche Entfernung ihnen der Gegner gegenüber stand. Die preußische Artillerie stand ungedeckt auf dem Höhenzuge und feuerte in den Nebel hinein. Bei Beginn der Kanonade vermochte man noch die Schanzen, wenn auch undeutlich zu erkennen, bald aber lag alles wie in Nacht und nur noch beim Aufblit­zen der feindlichen Geschütze wurden schattenhaft die Umrisse sichtbar. Konnte man preußi­scherseits kaum die Schanzen selber sehn, so sah man noch viel weniger, ob man traf oder nicht. Endlich zeigten aufsteigende Feuersäulen, daß das Dorf Missunde und das Fährhaus am jenseitigen Ufer in Brand geschossen seien; man wußte nun, daß man in der Nebelluft die Dis­tancen weiter geschätzt hatte als sie waren , und um endlich der Unsicherheit des Zielens nach Möglichkeit überhoben zu sein, gab Oberst Colomier Befehl zum Avanciren. Die Haubitzbat­terieen gingen bis auf 700 Schritt an die Schanzen vor und protzten kaltblütig im Kartätschen­hagel ab. Die Haltung der Leute war musterhaft; hier fiel Lieutenant Kipping, mit ihm 10 Mann von seiner Batterie, zwanzig andere wurden verwundet. Ohne jede Stockung ging es weiter. Das Gedröhn war furchtbar; wie ein Gewittersturm ging es über das Feld hin. Es war eine Ka­nonade (zusammen 93 Geschütze) heftiger als in mancher großen Schlacht. Dabei wurde mit großer Raschheit gefeuert. Eine der gezogenen Batterieen hatte über 300 Schuß abgegeben.

Der Versuch gegen die Schanzen.

Während so die Artillerie die große Tagesarbeit that, gingen in Front und Flanke In­fanterie-Abtheilungen vor, um, wenn möglich, durch einen raschen Stoß die Schanzen in ihre Gewalt zu bringen. Auf dem linken Flügel (Avantgarde) kamen diese Versuche kaum über ein erstes Stadium hinaus. Das Füsilier-Bataillon vom 13. Infanterie-Regiment ging vor, westphälische Jäger folgten, aber umsonst; aller Orten, wo sie zum Vorstoß ins Freie traten, geriethen sie unter das Kreuzfeuer der Schanzen. Das Füsilier-Bataillon verlor beträchtlich, eine Troddel von der Fahne wurde weggeschossen.

Günstiger schien es sich auf dem rechten Flügel (Brigade Canstein) gestalten zu wol­len. Das 2. Bataillon vom 60. Infanterie-Regiment hatte die Tête, drei Compagnieen gingen vor; die 7. Compagnie folgte mit der neuen Fahne des Bataillons. Sie war noch in der Umhül­lung. Da klang es von allen Seiten: „Futteral ab, Futteral ab!“ und bald flatterte die Fahne im Winde. Nicht lange, so schlugen zwei Kugeln in dieselbe ein. Ein weithin schallendes Hurrah begrüßte den klatschenden Ton; war es doch die erste Fahne von all den neuen Regimentern, die hier die Feuertaufe empfing. Die 5. 6. und 8. Compagnie kamen an das Eis einer Schlei­bucht, dicht im Rücken der Schanze, und unterm Kugelregen ging es über die sich biegende Eisdecke fort. Hier fiel Lieutenant Hammer, tödtlich getroffen; die Lieutenants Lau und Ba­jetto wurden verwundet, aber die Compagnieen blieben im Avanciren bis an das Glacis der Schanze. Als sie Succurs erwarteten, kamen die Signale zum Zurückgehn.

Es war klug, das Gefecht abzubrechen. Für eine Recognoscirung wußte man genug. Man hatte die Stärke der ganzen Stellung erprobt, zugleich erkannt, daß der Feind die Absicht habe, sich ernstlich zu vertheidigen. Von dem Augenblick an, wo diese Absicht her­vortrat, war es klar, daß nur ein Sturm auf die großen Frontal-Schanzen ein Resultat ergeben konnte. Die zu bringenden Opfer waren sicher, der Werth des überhaupt Erreichbaren aber ungewiß. Denn mit Eroberung der ersten Schanzenreihe war, wie wir Eingangs gezeigt haben, für Eroberung der ganzen Position erst wenig gethan. Außerdem war es zweifelhaft, ob es möglich sein würde, die eroberten Schanzen — die, wie wir wissen, nach hinten zu geöffnet waren — gegen das Feuer der zurückgelegenen Schanzen der zweiten und dritten Linie zu halten. Ein rücksichtsloses Dransetzen von Menschenleben — wenn man sich zu einem Aeußersten entschließen wollte — stellte freilich den Sieg mit halber Sicherheit in Aussicht; aber die Gesammtlage erheischte eben kein Aeußerstes und dem Auge des Feldherrn boten sich rasch die Mittel und Wege dar, mit geringem Einsatz an anderem Ort dasselbe Ziel zu errei­chen, das bei Missunde nur mit den größten Opfern zu erreichen gewesen wäre.

Beim Dunkelwerden rückten die Truppen auf der Linie Eschelsmark, Cosel, Holm, in ihre Quartiere ein. Die im Feuer gewesenen Bataillone hatten an diesem ersten Kampfestage, an dem sich die Söhne der Väter werth geschlagen hatten, einen nicht unbeträchtlichen Verlust. Doch war er gering im Vergleich zu dem heftigen Geschützfeuer , dem sie drei Stunden lang ausgesetzt gewesen waren. Vier Officiere und 29 Mann waren todt; l65 waren verwundet, darunter 7 Officiere. Die Hauptverluste hatten das Füsilier-Bataillon vom l5. Regiment (60 Mann) und das 2. Bataillon vom 60. Regiment (40 Mann). Die 4 gefallenen Officiere waren Lieutenant Hage­mann vom 24., Lieutenant Hammer vom 60., Lieutenant Graf v. d. Groeben vom Zietenschen Husaren-Regiment (als Ordonnanz-Officier commandirt) und Lieutenant Kipping von der 3. Artillerie-Brigade. Dem Oberstlieutenant v. François, Commandeur des Füsilier-Bataillons vom 15. Regiment, hatte, wie schon erwähnt, gleich beim Beginn des Gefechts eine Kugel die Kinnlade zerschmettert.

Wie ein elektrischer Schlag ging die Nachricht vom „Tag von Missunde“ durch ganz Deutschland. Man hatte jetzt den Beweis in Händen, daß es Ernst sei. Die Schleswiger jubel­ten, die Holsteiner gaben den stillen Widerstand ihrer Herzen auf. Es kam die Zeit der Ge­rüchte, der fliegenden Blätter, der Kriegsanekdoten, gut und schlecht. Ein frischer Geist ging durch die Nation.

Donnernd gegen Missunde

Fiel der erste Schlag,

wurde zu einem Anruf, zu Gruß und Erkennungszeichen. Den Gefallenen zu Ehren klangen Lieder in allen Landestheilen; am schönsten waren die Worte, die ein Kamerad dem gefallenen Lieutenant Kipping (Sohn des Superintendenten in Bernau) nachrief: 

       Ernsthaft im Leben,
   
                                     Heiter im Kampfe,
   
                                     Standst Du im dichten
   
                                     Pulverdampfe,
   
                                     Immer als leuchtendes
   
                                     Vorbild voran.
   
                                     So bis zum Sterben
   
                                     Hast Du gestritten,
   
                                     Lautlos den schönsten
    
                                    Tod erlitten,
    
                                    Bist glorreich gestorben
   
                                     Bei rühmlicher That.

 Prinz Friedrich Karl, der sich seinerseits am 2. Februar den Beinamen „Prinz Alltyd-Vorup“' erwarb, hatte am Abend den ihm vorbeimarschirenden Truppen zugerufen: „Ihr könnt heut wie Männer schlafen, die ihre Pflicht gethan.“ „So soll es immer sein“, hatten ihm die Truppen geantwortet. Einige Tage später erließ der Prinz einen Corpsbefehl, worin er des Ta­ges von Missunde in folgenden Worten gedachte:

„Eure Haltung im Gefecht ließ nichts zu wünschen, denn nur euer Eifer mußte gezü­gelt werden. Besondere Anerkennung verdient die Tapferkeit und Kaltblütigkeit unserer braven Artillerie. Der 2. Februar bleibt für sie, die einen ungleichen Kampf rühmlich bestand, auf im­mer denkwürdig. Es wird genügen zu sagen: „Ich bin ein Kanonier von Missunde“, um die Antwort im Vaterlande zu hören: „Siehe da, ein Tapfrer!“ Soldaten, ich werde die Namen der besonders Tapferen und Derer, die uns wichtige Dienste geleistet haben, aus allen Waffen, dem Könige nennen.“

Vom rechten Flügel der alliirten Armee wenden wir uns nunmehr den Vorgängen des Centrums zu, dem Vormarsch der Oestreicher gegen das Dannewerk.


Eingesandt per E-Mail von Dr. Friedrich Rohwer aus Leverkusen.

Vielen Dank.

Siehe auch "Ein Düppelstürmer" Kriegserlebnisse des Veteranen J. Bubbe